"Wir sind zu harten Einschnitten bereit", verkündet Deutsche-Bank-Chef Sewing den Aktionären. Vor allem das Investmentbanking dürfte geschrumpft werden. Die Frage ist nur: Reicht die Zeit noch für eine Wende?
Früher, so viel steht fest, war mehr Lametta, wenn die deutschen Großbanken zur Hauptversammlung luden. Die Aktionäre der Commerzbank etwa mussten am Mittwoch bis nach Wiesbaden reisen, 40 Kilometer entfernt vom Konzernsitz Frankfurt - so konnte der knapsende Konzern einen hohen sechsstelligen Betrag bei der Hallenmiete sparen.
Bei der Deutschen Bank fand die Hauptversammlung am Donnerstag zwar wie üblich in der Frankfurter Festhalle statt, der Sparhammer fiel also moderater aus. Dafür ging er durch den Magen. Das sonst stets reichhaltige Catering im Pressebereich schrumpfte auf Bockwürstchen, Bouletten und einen in Speiseöl ertränkten Kartoffelsalat zusammen - vermutlich mit dem Ziel, die Medienvertreter ins Fresskoma zu schicken. Was auch beinah gelang.
Abgesehen vom Umstand, dass gespart werden muss, hielten die Aktionärstreffen der beiden größten deutschen Banken, die kürzlich beinahe ihre Fusion beschlossen hätten, weitere erstaunliche Erkenntnisse bereit.
Das Management der Commerzbank , das den Zusammenschluss viel dringender wollte als der Vorstand der Deutschen Bank , strotzt nach dem Abbruch der Gespräche plötzlich vor Selbstbewusstsein. Vorstandschef Martin Zielke sitzt sicher im Amt, wurde mit sozialistisch anmutenden 99 Prozent entlastet und fühlte sich stark genug für eine hämische Spitze gegen den blauen Konkurrenten. "Was unsere Kunden auch gut finden, ist unsere Unternehmenskultur: Das Einhalten von Verhaltensregeln, Gesetzen und Richtlinien ist ein zentraler Bestandteil unserer Strategie", rief er seinen Aktionären entgegen. Wen er damit meinte, war jedem klar.
Dass Zielke wieder breitbeinig durch Frankfurt (oder gelegentlich Wiesbaden) läuft, liegt nicht daran, dass die Commerzbank neue Gewinnquellen entdeckt hätte. Sondern an der neuen Relativitätstheorie im Banking: Absolut ist die Lage weiter trist, verglichen mit der Deutschen Bank aber kommod. Ausländische Rivalen liebäugeln mit dem Kauf der Commerzbank, der Aktienkurs steigt seit Monaten.
Achleitner hat innerlich ausgecheckt
Die Deutsche Bank dagegen steht vor einem doppelten Paradigmenwechsel. Sie wird, so lässt Vorstandschef Christian Sewing durchblicken, ihr Investmentbanking stärker stutzen als geplant. Und: Aufsichtsratschef Paul Achleitner bleibt zwar aller Voraussicht nach im Amt (die Abstimmungsergebnisse zur Entlastung des Aufsichtsrats sollen erst am Abend veröffentlicht werden); auch ein Aktionärsantrag, ihn als Leiter der Hauptversammlung abzusetzen, scheiterte - 99,04 Prozent der Aktionäre hatten keine Lust auf Instant-Putsch.
Aber: Innerlich hat Achleitner offenkundig schon ausgecheckt. Seine Rede zum Auftakt der Hauptversammlung war wesentlich kürzer und inhaltsärmer als in den Vorjahren und - bereinigt um Formalitäten wie die übliche Schweigeminute für verstorbene Mitarbeiter - kaum länger als der Wetterbericht. Rasch überließ der sonst so sendungsbewusste Österreicher dem seit einem Jahr amtierenden Sewing die Bühne und widmete sich der ordnungsgemäßen Abwicklung der Hauptversammlung.
Sewing nutzte seine Chance und umgarnte die Aktionäre einigermaßen geschickt. Mit seinem erfolgreichen Veto gegen die Commerzbank-Fusion hat er in den vergangenen Monaten intern wie extern an Statur gewonnen. Sewing war zu Recht gegen den Zusammenschluss (den Achleitner befürwortete), weil er fürchtete, dass das Experiment schiefgeht. Jetzt ist er der stärkste Vorstandschef in der Ära Achleitner und hat die Freiheit, sein Programm durchzuziehen.
Aufsichtsratschef Achleitner: Die Rede war kaum länger als der Wetterbericht
Doch eines hat er nicht: Zeit. Die Aktionäre verlangen endlich Erfolge. Die Kosten müssen drastisch sinken, Umsatz, Gewinn und Aktienkurs dagegen sollen möglichst schnell nach oben. Um das zu schaffen, hat Sewing - etwas wolkig zwar, aber doch hinreichend klar - den Aktionären versprochen, das Investmentbanking zu verkleinern. An dieser Stelle lohnt die Exegese seiner Rede.
Die Investoren wollen Ergebnisse sehen
Mehr als 85 Prozent des Jahresumsatzes kommen laut Sewing aus stabilen Geschäftsbereichen - und sind damit quasi unantastbar. Das heißt aber auch: Die restlichen 15 Prozent sind nicht profitabel genug. Folgerichtig will Sewing dort "noch einmal genau hinsehen und entsprechend handeln", um die Profitabilität erheblich zu steigern, wie er sagte. An anderer Stelle kündigte er markig an: "Wir sind zu harten Einschnitten bereit."
Wer wissen will, wo genau Sewing die Axt ansetzen will, kann sich in den Geschäftsbericht der Deutschen Bank vertiefen. Dort stößt man rasch auf den Handel mit Aktien und Anleihen. Der steht zwar noch immer für mehr als 15 Prozent des Gesamtumsatzes, ist aber extrem von den Schwankungen an den Börsen abhängig - und gehört deshalb garantiert nicht zu den stabilen Geschäftsfeldern.
Hier also wird Sewing aufräumen müssen, um Kapital in solidere, profitablere Bereiche umzulenken. Dass es so kommt, dürfte in den nächsten Tagen und Wochen klarer werden, die Investoren verlangen nach Details des Konzernumbaus. Die wird Sewing liefern müssen - damit nicht auch noch er zur "lame duck" wird wie Achleitner.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bank-die-neue-bescheidenheit-a-1268986.html
2019-05-23 14:22:00Z
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